Kinderbetreuung und Schule

Der Zugang zur frühen Bildung und zum System der Kindertagesbetreuung ist eine wichtige Voraussetzung, um Kindern mit Fluchterfahrung Sicherheit, Stabilität, Struktur und Geborgenheit zu vermitteln und sie im Integrationsprozess zu unterstützen. Um ukrainischen Familien den Zugang zur Kindertagesbetreuung zu erleichtern, werden wir Informationen für Eltern zum System der hessischen Kindertagesbetreuung in ukrainischer Sprache bereitstellen. 

Mit einer steigenden Nachfrage bei den Angeboten der Kindertagesbetreuung ist zu rechnen. Diese Aufgabe wird die für die Kinderbetreuung zuständigen Kommunen zusätzlich fordern. Auch hierbei unterstützt die Landesregierung die Kommunen mit Sofortmaßnahmen, um auf den unmittelbaren Bedarf zu reagieren.

Von den Kommunen wurden vor Ort bereits wichtige Konzepte entwickelt, um flexibel und schnell auf den erhöhten Bedarf an Plätzen reagieren zu können. Das Landesjugendamt begleitet darüber hinaus Kommunen, Einrichtungsträger und Jugendämter, um unkompliziert weitere Lösungen aufzuzeigen. So kann in Absprache mit dem Jugendamt eine Gruppe vorübergehend begrenzt überbelegt werden, wenn die sonstigen Rahmenbedingungen es zulassen und auch wenn zusätzliche Fachkräfte zunächst nicht gewonnen werden können. Wenn sonstige geeignete Kräfte zur Betreuung zur Verfügung stehen, sollen diese zunächst eingesetzt werden.

Mit Angeboten außerhalb der Betriebserlaubnispflicht kann vor Ort schnell und flexibel auf die spezifischen Bedürfnisse der geflüchteten Familien eingegangen werden. Diese Angebote sind zeitlich begrenzt hilfreich, das haben bereits die Herausforderungen in der Kindertagespflege 2015/2016 gezeigt.

Ukrainische pädagogische Fachkräfte können auch in Hessen als Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen arbeiten, wenn sie sich ihren Abschluss von den zuständigen Behörden als gleichwertig mit den vorgegebenen Qualifikationen nach § 25b Abs. 1 Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJGB) anerkennen lassen. Im Vorfeld zur Anerkennung können sie als Fachkräfte zur Mitarbeit nach § 25b Abs. 2 Nr. 6 HKJGB eingesetzt werden. Das erforderliche DQR 6 Niveau ihrer Ausbildung kann im Wege der ZAB-Plattform „anabin“ von den Jugendämtern eingeordnet werden.

Die Landesregierung hält grundsätzlich an dem Ziel fest, die gesetzlichen personellen Mindeststandards in den Kitas zu verbessern. Nur so können dauerhaft den gestiegenen Anforderungen begegnet und die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten verbessert werden. In der aktuellen Krisensituation werden die bereits gesetzten Ziele aber nicht flächendeckend zu erreichen sein. Deshalb werden wir die Übergangsregelung, nach der Einrichtungen, die am 01.08.2020 bereits eine gültige Betriebserlaubnis hatten noch bis zum 01.08.2022 unter den zuvor geltenden Standards weiter betrieben werden dürfen, verlängern. Eine entsprechende Initiative zur Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuchs wird dazu angestoßen.

Über die Sofortmaßnahmen hinaus wird die Landesregierung die Plätze in der praxisorientierten vergüteten Erzieherausbildung (PIVA) für das in 2022 beginnende Ausbildungsjahr von 400 auf 600 erhöhen.

Die Hessische Landesregierung führt die Koordinierungsstelle „Kinder mit Fluchthintergrund“ fort und entwickelt sie weiter. In diesem Rahmen steht auch weiterhin ein spezifisches Beratungs- und Unterstützungsangebot für die Kindertagesbetreuung zur Verfügung. Gerade geflüchtete Kinder aus den ukrainischen Kriegsgebieten benötigen nun vor allem Sicherheit, Stabilität, Struktur und Geborgenheit. Im Spiel mit anderen Kindern können sie ihre Fluchterfahrungen verarbeiten und unbeschwerte Stunden verbringen.

Das von der Karl Kübel Stiftung durchgeführte Projekt wird bis 2025 verlängert und mit rund 404.000 Euro gefördert. Seit 2019 unterstützt das Land damit die Beratungs- und Managementebene (Trägervertretungen, Fachberatungen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans und Fortbildnerinnen und Fortbildner) durch Vernetzung, Fachtagungen und Beratung zum Themenkomplex „Kinder mit Fluchthintergrund“. Auch Themen wie Spracherwerb, Umgang mit traumatischen Erlebnissen und Kinderrechte werden dabei berücksichtigt.

Mit den kostenfreien Modul-Fortbildungen zum Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0-10 Jahren in Hessen (BEP) werden insbesondere Fach- und Grundschullehrkräfte aber auch Kindertagespflegepersonen und Eltern zielgerichtet unterstützt. Darüber hinaus bietet das Land Hessen spezielle Qualifizierungsangebote für BEP- und Schwerpunkt-Kita-Fachberatungen an, um Einrichtungen, Teams, Kinder und Familien bei den aktuellen Herausforderungen im Sinne des BEP zu unterstützen.

Das Beherrschen der deutschen Sprache ist ein Schlüssel zur Teilhabe an unserer Gesellschaft. Wenngleich wir nicht wissen, wie lange die Geflüchteten aus der Ukraine bei uns bleiben, wird die Landesregierung auf den Spracherwerb von Anfang an und in jeder Altersgruppe ein besonderes Gewicht legen:

Im Landesprogramm zur Sprachförderung im Kindergartenalter werden dazu zusätzliche, vorwiegend alltagsintegrierte Sprachfördermaßnahmen für Kinder im Kindergartenalter gefördert, wobei auch unter dreijährige Kinder berücksichtigt werden können. Außerdem können pädagogische Fachkräfte und sonstige für die Sprachvermittlung geeignete Personen Fortbildungen erhalten. Einrichtungen denen nun ein erhöhter Sprachförderbedarf entsteht, können entsprechende Mittel aus dem Landesprogramm beantragen. Ergänzend besteht die Möglichkeit der Modellprojektförderung. So wird beispielsweise das Projekt „Sprachentdecker“ von der Goethe-Universität Frankfurt gefördert. Hessenweit werden darüber Fachkräfte qualifiziert, um Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung und trotz der aktuellen Situation optimal begleiten zu können.

Schule

Hessen hat mit seinem bereits etablierten schulischen Gesamtsprachförderkonzept und den darin auch in Krisenzeiten bewährten Strukturen sehr gute Voraussetzungen zur Bewältigung der neuen Herausforderung der Beschulung von geflüchteten ukrainischen Kindern und Jugendlichen. Es wurden bereits 7.084 Schülerinnen und Schüler in unseren allgemein- und berufsbildenden Schulen aufgenommen (Stand 29. April 2022).

Wie im Jahr 2015 so gibt es auch in dieser Flüchtlingswelle speziell gelagerte Umstände, auf die es flexibel und angemessen zu reagieren gilt. Für die Zeit bis zu den Sommerferien ist eine Modifizierung bestimmter Unterrichtsangebote erfolgt.

Wichtig ist bei allen konzeptionellen Überlegungen, dass sie zeitnah und einfach in der Praxis umgesetzt werden können. Erste schulische Anlaufstelle sind die in den Staatlichen Schulämtern eingerichteten Aufnahme- und Beratungszentren. Zudem ist davon auszugehen, dass die hessischen Schulen weiterhin und zeitgleich eine hohe Anzahl von Geflüchteten anderer Nationalitäten sowie Kinder und Jugendliche, die im Rahmen der EU-Freizügigkeit nach Hessen kommen, in ihren Intensivmaßnahmen aufnehmen.

Bedarfsgerecht und flexibel werden wir daher Ressourcen für Intensivklassen zur Verfügung stellen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderung werden wir im Bereich der Intensivklassen die Klassenteilerzahlen der Sekundarstufe im aktuellen Schuljahr 2021/22 erhöhen.

Systematische Deutschförderung ukrainischer Kinder und Jugendlicher in Intensivmaßnahmen:

Ukrainische Kinder, die im nächsten Schuljahr schulpflichtig werden, können als Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger an Vorlaufkursen teilnehmen.

Schulpflichtige Grundschulkinder werden in sogenannten Intensivklassen aufgenommen, in welchen sie in 18 Wochenstunden gezielt auf den Unterricht, insbesondere über die Förderung der deutschen Sprache, vorbereitet werden. Eine individuelle Teil-integration je nach individueller Situation in die Regelklasse in Fächern wie Sport und Musik streben wir an. In Ausnahmefällen können ukrainische Kinder direkt in die Regelklasse aufgenommen werden und im Rahmen eines Intensivkurses, einer zusätzlichen Deutschförderung bis zu 8 Wochenstunden, gefördert werden.

Im Rahmen der personellen, sächlichen und fachspezifischen Möglichkeiten der Schule kann ein ergänzender Unterricht in ukrainischer Sprache zur Sprach- und Kulturvermittlung (4 Wochenstunden) angeboten werden.

Ukrainische Kinder und Jugendliche ohne Deutschkenntnisse werden in Intensivklassen aufgenommen (22 Wochenstunden plus eine mögliche Teilintegration in die Regelklasse wie in der Grundschule).

Daneben wird im Bedarfsfall die Teilnahme an einem freiwilligen Online-Unterricht in ukrainischer Verantwortung ermöglicht. Nach dem 31.05.2022 (Ende reguläres Schuljahr in der Ukraine) kann in der Sekundarstufe I ein ergänzender Unterricht in ukrainischer Sprache zur Sprach- und Kulturvermittlung (4 Wochenstunden) im Rahmen der personellen, sächlichen und fachspezifischen Möglichkeiten der Schule angeboten werden.

Ukrainische Kinder und Jugendliche werden in Intensivklassen (sog. InteAKlassen) aufgenommen. Aufgrund der im Vergleich der veränderten Ausgangslage zu anderen Geflüchteten, die i.d.R. über einen längeren Zeitpunkt keine Beschulung erhalten hatten, sowie unter Berücksichtigung der 11 Schulbesuchsjahre bis zur Matura (Abitur) in der Ukraine, werden bezogen auf die Anzahl der ukrainischen Jugendlichen den beruflichen Schulen 16 Wochenstunden zur intensiven Deutschförderung zugewiesen.

Daneben soll im Bedarfsfall die Teilnahme an einem freiwilligen Online-Unterricht in ukrainischer Verantwortung ermöglicht werden. Nach dem 31.05.2022 sollen über die intensive Deutschförderung hinaus gezielt mit Partnern wie der BA oder Kammern Angebote zur beruflichen Orientierung ermöglicht werden.

Sofern ukrainische Schülerinnen und Schüler über keine eigenen mobilen Geräte mit den erforderlichen Funktionen für den Online-Unterricht verfügen, soll in Absprache mit den Schulträgern auf freie mobile Endgeräte aus den Ausleihsystemen der Schulträger zurückgegriffen werden. Sollte die Anzahl der freien Endgeräte den Bedarf nicht abdecken, werden zusätzliche Geräte bereitgestellt.

Darüber hinaus werden die erforderlichen Software-Lizenzen für den Unterricht und das schulische Ergänzungsangebot beschafft.

Personalrekrutierung

Mit einer breitgefächerten Informationskampagne wollen wir möglichst viele Unterstützerinnen und Unterstützer gewinnen. Die Maßnahmen hierzu werden zum Teil bereits umgesetzt oder befinden sich in Umsetzung. Lehrkräfte und sonstiges Personal mit professioneller pädagogischer Erfahrung aus der Ukraine sollen möglichst unbürokratisch und kurzfristig als TV-H-Beschäftigte eingestellt werden, sachgrundlos (kalendermäßig) befristet gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG mit einer Vertragsdauer von mindestens 6 Monaten, sofern keine Vorbeschäftigung beim Land bestand. Hier ist innerhalb von höchstens 2 Jahren eine maximal dreimalige Verlängerung möglich.

Angestrebt wird die Einstellung als TV-H Beschäftigte aktuell

  • primär für Intensivklassen und Intensivkurse (auch InteA), Vorlaufkurse, Deutschförderkurse (Voraussetzung Deutschkenntnisse: Nachweis von mind. C1 Niveau oder falls der Nachweis nicht kurzfristig vorgelegt werden kann, nach Einschätzung der Schulleitung) sowie
  • im regulären Unterricht (Nachweis von Deutschkenntnissen in Abhängigkeit vom Fach mind. C1 Niveau oder, falls der Nachweis nicht kurzfristig vorgelegt werden kann, nach Einschätzung der Schulleitung).

Des Weiteren soll kurzfristig und ohne bürokratische Hürden ein Einsatz von ukrainisch sprechenden Lehrkräften und Personal mit professioneller pädagogischer Erfahrung im Unterricht in ukrainischer Sprache zur Sprach- und Kulturvermittlung erfolgen können.

Stärkung der Unterstützungssysteme in den Staatlichen Schulämtern

Die für die Koordination der sogenannten Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in der Schule zuständigen Aufnahme- und Beratungszentren werden wir personell aufstocken.

Seit 2015 wurden unter anderem über 6.000 Lehrkräfte im Rahmen der Basisqualifizierung Deutsch als Zweitsprache fortgebildet und über 500 Lehrkräften wurde der Erwerb einer Fakultas in Deutsch als Fremd-/Zweitsprache ermöglicht. Diese Qualifizierungsmaßnahmen werden wir zielgerichtet, insbesondere auch im Hinblick einer Unterstützung auf die neu eingestellten ukrainischen Lehrkräfte, ausweiten. Sogenannte Erfahrungsaustausche auf regionaler Ebene und weitere Fortbildungsmaßnahmen sowie Unterrichtshilfen zum Umgang mit dem Krieg in der Ukraine werden wir intensivieren.

Die schulpsychologischen Ansprechpersonen für Migration und Flüchtlingsberatung in den Staatlichen Schulämtern bieten geflüchteten Schülerinnen und Schülern gezielt psychosoziale Unterstützung und Beratung an, die auch den ukrainischen Schutzsuchenden zur Verfügung steht.

Die Ansprechpartner für das Ehrenamt in den Aufnahme- und Beratungszentren werden die bestehenden Strukturen gezielt in Zusammenarbeit u.a. mit den WIR-Koordinatoren und den Integrationslotsen auf kommunaler Ebene nutzen.