Hessisches Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege

Hinsehen und handeln: Kinder in Hessen schützen

- Es gilt das gesprochene Wort -
Anlässlich der Regierungserklärung „Hinsehen und handeln: Kinder in Hessen schützen“ betonte die Hessische Familien- und Gesundheitsministerin Diana Stolz in ihrer Rede vor dem Hessischen Landtag, der Schutz der „Kleinsten und Kleinen“ und „jungen Menschen“ sei „immer noch zu sehr unter dem Radar“.

„Das Thema Kinderschutz müssen wir alle auf dem Radar haben. Das geht nur gemeinsam und fraktionsübergreifend. Und wir müssen bereit sein, auch das Unvorstellbare in den Blick zu nehmen, zu benennen und möglichst zu verhindern“, appellierte Stolz am Dienstag an die Hessischen Landtagsabgeordneten. Die Ministerin kündigte an, dass es nunmehr gelungen sei, die Förderung für ein zweites Childhood-Haus in Nordhessen abzusichern.

Die Zahl der erfassten Kindeswohlgefährdungen hat im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht: Bei 6.198 Kindern oder Jugendlichen stellten die Jugendämter in Hessen eine Kindeswohlgefährdung fest – durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt. Das waren 583 Fälle mehr als im Jahr zuvor. Ein Anstieg von mehr als 10 Prozent!

„Das sind die Zahlen aus der Statistik. Hinter jeder Zahl steckt ein Kind. So viele Einzelschicksale. Kinder, die Schlimmstes erlitten haben, psychisch wie physisch. Jedes Kind, das wir vor schlimmen Erfahrungen bewahren können, ist unserer aller Mühen wert“, betonte Stolz und sagte weiter: „Es gibt Babys, die geschüttelt werden. Es gibt Kinder, die aus der eigenen Familie heraus über Jahre geschlagen, gedemütigt oder sexualisiert berührt und/oder vergewaltigt werden. Im Internet finden darüber hinaus weitere Straftaten statt. All diese Kinder tragen das Trauma dessen, was ihnen angetan wurde, ein Leben lang mit sich. Wir als Hessische Landesregierung packen den Schutz von Kindern gemeinsam, ressortübergreifend und entschlossen an“.

Die Ministerin betonte, wie wichtig die aktuelle Zustimmung des Bundesrates zu einem hessischen Gesetzentwurf zur anlasslosen Speicherung von IP-Adressen sei, um Kinder „effektiv schützen zu können“. Sie nannte dies einen wichtigen „Zwischenerfolg“. Nun müsse sich die Bundesregierung mit dem Thema auseinandersetzen.

Der beste Kinderschutz ist, wenn erst gar nichts passiert!

„Wir spannen in Hessen ein stabiles Netz aus Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Familien. Gemeinsam mit den Kommunen und sozialen Organisationen bieten wir Familienberatungsstellen, Erziehungsberatung und viele weitere Anlaufstellen, die einfach und kostenlos zugänglich sind. Je früher Expertinnen und Experten Familien zur Seite stehen, desto eher können Überlastungssituationen erkannt und verhindert werden“, so Stolz.

„Frühe Hilfen“ sind Angebote von der Schwangerschaft bis zum Alter von drei Jahren, um jungen Familien von Anfang an zur Seite zu stehen. Von der Schwangerschaftsberatung über Eltern-Kind-Treffs bis hin zu „Schreiambulanzen“ gibt es hier passgenaue und kostenfreie Unterstützung für die individuelle Situation.

Zu den Angeboten der Frühen Hilfen gehören auch Lotsen in Geburts- und Kinderkliniken und Arztpraxen, aufsuchende Familienbegleitung durch z.B. Familienhebammen oder Willkommensbesuche für Neugeborene. Das Land Hessen fördert die Frühen Hilfen mit einem Landesprogramm in Höhe von bis zu 2,3 Millionen Euro im Jahr. 
„DropIns“ sind Willkommensorte, in denen sich junge Eltern mit Gleichgesinnten austauschen können. „Das ist wichtig für Mütter und Väter mit Neugeborenen in der neuen Lebenssituation. In diesem Jahr haben wir die Förderung der DropIns um zehn weitere Standorte erhöht, sodass bereits über 100 solcher Treffpunkte gefördert werden.“

„Gefährdungen des Kindeswohls können an nahezu allen Orten auftreten, können sehr unterschiedlich aussehen und sind oft nicht offensichtlich. Es ist entscheidend, dass Anzeichen von Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch möglichst früh erkannt werden. Dann können Gefährdungen verhindert oder es kann zumindest schnellstmöglich eingegriffen werden. Und hier helfen auch unsere hessischen Familienzentren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen, insbesondere in den Kitas, bei der Betreuung von Kursen für Eltern mit Babys oder in der Hausaufgabenbetreuung sind möglicherweise die ersten, die denkbare Missstände in der Familie wahrnehmen. In diesem Jahr haben wir die Zahl der geförderten Familienzentren um 16 Zentren auf insgesamt 227 erhöht“, erläuterte die Ministerin.

Prävention im Sport

„Sportvereine sind Orte, an denen Kinder stark gemacht und durch Erfolge selbstbewusst werden. Auch hier muss eine Kultur des Hinsehens etabliert sein. Grenzüberschreitungen müssen erkannt und offen angesprochen werden. Es darf nicht aus falscher Rücksichtnahme oder dem Gefühl der Abhängigkeit geschwiegen werden. In den Vereinen muss eine Kultur des Hinschauens selbstverständlich sein!“.

Das Land Hessen fördert deshalb in enger Zusammenarbeit mit dem Landessportbund Hessen und der Sportjugend Hessen das Projekt „Kindeswohl im Sport“. „In diesem Jahr unterstützen wir diesen Bereich mit 195.000 Euro. Damit verfolgen wir das klare Ziel, dass unsere Verbände und Vereine wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern entwickeln können. Unsere Sportorganisationen und -vereine engagieren sich mit dem „Bündnis Safe Kids“ für das Kindeswohl“, sagte Stolz. Aktuell und innerhalb weniger Monate sind hier bereits 14 hessische Verbände, 25 Vereine und acht Sportkreise dem Bündnis beigetreten. „Das ist ein toller Erfolg, der sich bereits heute sehen lassen kann“, sagte die Ministerin.

Geschützte Räume für Kinder, denen Schlimmes passiert ist

„Wir müssen über die Fälle sprechen, in denen Kindern Schlimmes widerfahren ist oder es Anhaltspunkte gibt, dass sie vernachlässigt oder misshandelt werden. 
Schon seit über zehn Jahren gibt es in Hessen einen ressortübergreifenden Landesaktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt“, erinnerte Stolz. Im letzten Jahr sei dieser erneut auf Basis eines breiten Beteiligungsprozesses weiterentwickelt worden.
Es sei wichtig, ein umfassendes Hilfsangebot für betroffene Kinder und Familien anzubieten. Das bieten 45 Fachberatungsstellen in Hessen. Diese haben sich auf gemeinsame Qualitätsstandards für ihre Arbeit verständigt.

In Fällen von körperlicher Gewalt sind die Kinderschutzambulanzen eine wichtige Anlaufstelle: Medizinische Einrichtungen mit speziell ausgebildeten Teams. Sie schätzen Verdachtsfälle von Gewalt und Missbrauch ein, versorgen die Kinder medizinisch und betreuen sie psychologisch. Hier werden aber auch mögliche Spuren von Gewalt dokumentiert. „Damit werden wichtige Beweise gesichert. Und das ist so wichtig. Nur mit einer fundierten Beweislage haben wir eine Chance, die Täter dingfest zu machen und sie ihrer Verurteilung zuzuführen“.

Childhood-Haus Frankfurt

Um Kindern die belastende Erfahrung zu ersparen, ihre traumatischen und schrecklichen Erlebnisse an verschiedenen Stellen immer wieder erzählen zu müssen, hat Hessen diese Ambulanzen weiterentwickelt. Die Hessische Landesregierung habe in der letzten Legislaturperiode die Eröffnung des Childhood-Hauses am Uniklinikum in Frankfurt mit rund 1,4 Millionen Euro „massiv unterstützt.“ „Es ist gut, dass es diese Anlaufstelle gibt, weil das eine so große Entlastung für die Kinder bedeutet, denen Schlimmes widerfahren ist. Alleine im ersten Halbjahr dieses Jahres hat das Childhood-Haus rund 400 Kinder betreut“, stellte Stolz die Bedeutung des Childhood-Hauses heraus.

Die gesamte Gestaltung der Örtlichkeit und des Ablaufs ist „vom Kind her“ gedacht und kindgerecht sowie traumasensibel gestaltet. Medizin, Psychologie, Jugendhilfe, Polizei und Justiz arbeiten eng zusammen, sodass das betroffene Kind nicht separat mit all diesen Stellen zu tun hat und die Anzahl der Untersuchungen und Befragungen auf ein notweniges Mindestmaß in diesem geschützten Rahmen reduziert werden kann. Das Childhood-Haus pflegt zudem ein Netzwerk zu weiteren Akteuren im Kinderschutz und ist Ansprechpartner für Kitas, Schulen, Fachberatungsstellen, Fachkräfte oder Vereine. „Ich bin von dem Konzept zutiefst überzeugt und wir fördern das Childhood-Haus in Frankfurt im laufenden Betrieb mit bis zu 300.000 Euro jährlich“.

Neues Childhood-Haus in Nordhessen kann kommen!

„Ich bin froh und dankbar, dass mein Einsatz für ein zweites Childhood-Haus erfolgreich war und ich heute hier sagen kann: wir werden eine zweite Anlaufstelle dieser Art in Nordhessen fördern können. Und ich danke allen Beteiligten in Frankfurt. Denn ohne deren vorbildliche Arbeit wäre es sicher nicht möglich gewesen wäre, einen zweiten Standort in Zeiten von Einsparungen planen und diesen Schwerpunkt setzen zu können“, so Stolz.

Dies sei eine von vier neuen Maßnahmen, um den Kinderschutz zukünftig weiter zu verbessern. So werde zweitens ein Landesbetroffenenrat eingerichtet, damit die Belange von Betroffenen besser Gehör finden.

„Drittens werden wir eine Person für das Thema Kinderschutz beauftragen. Das habe ich bereits seit vielen Jahren gefordert und nun werden wir es umsetzen. Diese Person wird eine wichtige Ansprechperson für alle Belange des Kinderschutzes sein. Viertens ist mir als Gesundheitsministerin auch im medizinischen Bereich die Prävention wichtig. Deshalb zählt zu den nächsten Schritten ein Aktionsplan Kindermedizin, mit dem wir die körperliche und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken werden.“

Abschließend betonte die Ministerin: „Jedes einzelne Kind, dem wir helfen können, und jedes einzelne Kind, das wir vor Schlimmem bewahren können, ist es wert“ und erneuerte ihren Appell: „Lassen Sie uns gemeinsam hinsehen und handeln, um Kinder in Hessen zu schützen!“.