Deutschland hatte im 2. Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das Motto der Ratspräsidentschaft war: „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ Ab 1. Januar 2021 leitet Portugal die Arbeit des Rates der Europäischen Union. Hessens Europaministerin wünschte der neuen Ratspräsidentschaft heute viel Erfolg und zog eine gemischte Bilanz der deutschen Ratspräsidentschaft.
„Unterm Strich eine solide EU-Ratspräsidentschaft“
„Europaweit waren die Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft sehr hoch. Der größte EU-Haushalt aller Zeiten sollte verabschiedet, das Corona-Hilfspaket umgesetzt, eine neue China- und Afrikastrategie beraten, ein Austrittsabkommen mit dem Vereinigten Königreich erreicht, die Zukunftskonferenz gestartet und die ambitionierten Ziele der EU-Kommission, etwa im Bereich der Migrations- und Asylfrage, des Klimaschutzes und der Digitalisierung auf den Weg gebracht werden. Vieles davon hat die deutsche Ratspräsidentschaft erreicht oder zumindest angestoßen. Es war unterm Strich eine solide und erfolgreiche EU-Ratspräsidentschaft. Leider ist vor allem das zentrale Zukunftsprojekt, die Konferenz zur Zukunft Europas, auf der Strecke geblieben. Ohne die Kraft und das Engagement Deutschlands als Ratspräsident wird es nicht leichter, die notwendigen Zukunftsreformen der EU auf dem Weg zu bringen.“
„Diskussion um Rechtsstaatsmechanismus hat Wunden hinterlassen.“
„Insgesamt steht die EU nach der deutschen Ratspräsidentschaft gestärkter, aber nicht geeinter da. Die Diskussion um den Rechtsstaatsmechanismus im EU-Haushalt hat tiefe Wunden hinterlassen. Die Notwendigkeit des schnellen Handelns in der Corona-Krise hat zudem auch in anderen Bereichen zahlreiche unterschiedliche Positionen der Mitgliedstaaten überdeckt. Diese müssen in den nächsten Monaten aufgelöst werden. Nicht nur im Bereich Haushalt und Rechtsstaat, sondern auch in den Bereichen der Klimapolitik, der Migrations- und Asylpolitik oder bei der Frage der Ausrichtung der europäischen Wirtschaft und des konkreten Einsatzes der Corona Hilfsgelder („Next Generation EU“). Es wird die Aufgabe der nächsten Jahre sein, wieder einen gemeinsamen europäischen Geist zu entwickeln. Eine europäische Idee, die unsere Gemeinsamkeiten betont und in europäische Stärken umwandelt. Sei es bei einer wettbewerbs- und marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftspolitik, bei der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder bei der Digitalisierung.“
„Große Chance für Reform der EU vertan“
„Ein großartiger Erfolg wäre die EU-Ratspräsidentschaft aber erst dann geworden, wenn auch ein Durchbruch bei der Konferenz zur Zukunft der EU gelungen wäre. Es hätte das große Projekt, der große Anstoß für die Zukunft Europas sein können. Viele haben dabei auf die Überzeugungskraft und das Verhandlungsgeschick der Bundeskanzlerin gehofft. Hier wurde eine große Chance, die Zukunft der EU zu gestalten vertan.“