Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus unterstützt einen europäischen Rechtsrahmen für die Datenwirtschaft. „Mit einem europäischen Binnenmarkt für Daten können wir weltweit Maßstäbe für digitale Selbstbestimmung des Einzelnen und den Schutz von Freiheitsrechten schaffen“, sagte Sinemus am Mittwoch beim vierten Digital Leaders Roundtable in Brüssel. „Gleichzeitig müssen wir aber darauf achten, wirtschaftliche Innovation dadurch nicht abzuwürgen, sondern weiter zu ermöglichen. Für mich ist das kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander – ein Austarieren beider Positionen. Wenn die EU einen maß- und sinnvollen Weg beschreitet, kann sie Vorbild für die ganze Welt sein.“
Die EU ist derzeit im Begriff, den Rechtsrahmen für die Datenwirtschaft neu zu gestalten. Dazu gehören ein europäischer Gesundheitsdatenraum, ein Daten-Governance-Gesetz und ein Datengesetz. Die hessische Digitalministerin hat dies zum Anlass genommen, mit digitalen Expertinnen und Experten den angestrebten Rechtsrahmen zu diskutieren. „In Datenfragen war Hessen schon einmal Vorreiter“, sagte Sinemus. „Vor über 50 Jahren ist das Hessische Datenschutzgesetz als erstes Datenschutzgesetz der Welt in Kraft getreten. Wir haben bis heute jede Menge Kompetenz auf diesem Gebiet. Datensouveränität ist zum Beispiel auch Gegenstand einer Projektgruppe des 2019 in Hessen eingerichteten Zentrums verantwortungsbewusste Digitalisierung, ZEVEDI. Dieses Fachwissen ist auch heute wieder gefragt in Brüssel.“
Neue Denkansätze und Steuerungsmechanismen nötig?
Die Expertinnen und Experten haben zentrale Fragen diskutiert: Welche Rolle spielt die Inhaberin oder der Inhaber der Daten? Wie kann der oder die Einzelne souverän über die Verwendung seiner Daten entscheiden? Kann Datengebenden dabei eine aktive und partizipative Rolle eingeräumt werden – statt sie nur als schutzbedürftig zu verstehen? Ist hierfür der klassische Datenschutz optimal geeignet, oder bedarf es neuer Denkansätze und Steuerungsmechanismen?
Europaministerin Lucia Puttrich betonte: „Hessen ist Vorreiter im Bereich des Datenschutzes und dazu gehört auch die Diskussion um die Datensouveränität in der EU. Für Unternehmen sind Verbraucherinnen und Verbraucher oftmals nur die Summe ihrer verfügbaren Daten. Kaufkraft, Mobilität, gesunde oder ungesunde Lebensweise: Über die Daten, die wir beim Einkaufen, Autofahren, Urlaubsbuchungen oder beim normalen Einkaufen hinterlassen, werden ganze Profile von uns erzeugt und analysiert. Besonders kritisch wird es, wenn sensible Daten, etwa Gesundheitsdaten zum Handelsgut werden. Es ist deshalb richtig, dass die EU hier einen engen Rechtsrahmen setzen will und es ist wichtig, diesen Rechtsrahmen auch international umsetzen zu wollen.“
Axel Voss, Mitglied des Europäischen Parlaments: „Wenn wir die DSGVO nicht reformieren, werden wir zur Datenkolonie der USA oder China.“
Prof. Dr. iur. Steffen Augsberg, Professor für öffentliches Recht an der Universität Gießen: „Datensouveränität verstehe ich nicht als Absage an den Datenschutzgedanken, sondern als Chiffre für dessen Reaktualisierung. Der Souveränitätstopos impliziert zugleich eine stärkere und kontinuierlichere Einbindung der Datengeber.“
Prof. Dr. phil. Petra Gehring, Professorin für Philosophie an der TU Darmstadt: „Der Begriff Datensouveränität polarisiert. Man kann ihn als Forderung nach uneingeschränkten Verwertungsansprüchen für Dateninhaber missverstehen. Der Ruf nach mehr Souveränität drückt aber auch aus, dass Bürgerinnen und Bürger sich ohnmächtig fühlen angesichts eines Datenschutzes, der ihre Daten vor Zugriffen oft eben doch nicht schützt.“