Wiesbaden. Die deutsche Vorschlagsliste („Tentativliste“) für das UNESCO-Welterbe soll fortgeschrieben und im Februar 2024 bei der UNESCO eingereicht werden. Für das anstehende nationale Vorauswahlverfahren kann jedes Bundesland bis zu zwei Vorschläge bei der Kultusministerkonferenz einreichen. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst hat sich für den gemeinsamen Vorschlag mit Baden-Württemberg „Keltische Machtzentren der älteren Eisenzeit nordwestlich der Alpen“ sowie den Vorschlag der Stadt Frankfurt am Main „Trabanten und Grüngürtel – Frankfurts Stadtlandschaft der Moderne“ entschieden.
Erbe erhalten und sichtbar machen
„Die ehemaligen keltischen Machtzentren auf der Heuneburg in Baden-Württemberg und auf dem Glauberg geben als Teil eines europaweiten Netzwerks beeindruckende Einblicke in die keltische Kultur im 7. bis 5. Jahrhundert vor Christus. Besonders freut mich, dass Frankreich signalisiert hat, sich mit dem keltischen Fürstensitz Mont Lassois der Bewerbung anschließen zu wollen, da hierdurch unser gemeinsames kulturelles Erbe als Ergebnis eines Jahrhunderte währenden regen Austauschs zwischen europäischen und mediterranen Regionen sichtbar gemacht wird. Während die ehemaligen keltischen Machzentren heute im ländlichen Bereich gelegen sind, betrifft der Vorschlag der Stadt Frankfurt am Main einen lebendigen Bestandteil der Großstadt: ausgewählte Siedlungen des ,Neuen Frankfurt‘ der 1920er und frühen 1930er Jahre. Das moderne Bauen von Ernst May und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, das Wohngebäude mit großzügigen Garten- und Grünflächen zu einer Einheit verband, sollte ein besseres Leben für alle Gesellschaftsschichten ermöglichen. Bis heute lassen sich spannende Anregungen für zeitgemäße urbane Wohnformen hier finden“, erklärt Hessens Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Etliche hundert Jahre trennen beide Vorschläge, aber für beide gilt: Es ist wichtig, dieses Erbe zu erhalten, besser sichtbar und verständlich zu machen und vor allem zur Inspirationsquelle für unsere Zeit werden zu lassen.“
Wo liegen die keltischen Machtzentren?
Keltische Machtzentren der älteren Eisenzeit nordwestlich der Alpen: Das für das Auswahlverfahren vorgeschlagene Gut besteht aus den Teilstätten Heuneburg (Baden-Württemberg, Deutschland), Mont Lassois (Burgund, Frankreich) und Glauberg (Hessen, Deutschland), drei außerordentlichen Beispielen für frühkeltische Machtzentren in Mittel- und Westeuropa nordwestlich der Alpen. Chronologisch sind sie in die frühe Eisenzeit Mitteleuropas – die späte Hallstatt- und frühe Latènezeit – einzuordnen. Diese Epoche umfasst das 7.–4. Jahrhundert v. Chr. und wird auch als „frühkeltisch“ bezeichnet. Diese ersten stadtartigen Zentren mit monumentaler Siedlungs- und Grabarchitektur, die in der Forschung häufig unter dem Begriff „Fürstensitze“ zusammengefasst werden, stellen außergewöhnliche Zeugnisse der frühkeltischen Zivilisation dar und sind Resultat eines intensiven Austauschs von Ideen, Techniken und Waren über große Distanzen mit weiten Teilen Europas, insbesondere mit den Kulturen Mittel- und Westeuropas und des mediterranen Raums. Sie sind darüber hinaus ein Ergebnis von Zentralisierungsprozessen, die durch Konzentration politischer Macht und ökonomischen Reichtums einer privilegierten sozialen Gruppe in den frühkeltischen „Fürstensitzen“ Mittel- und Westeuropas in Gang gesetzt wurden.
Was ist das Stadtplanungsprogramm "Neues Frankfurt"?
Trabanten und Grüngürtel – Frankfurts Stadtlandschaft der Moderne: Das von der Stadt Frankfurt nominierte Gebiet umfasst die beiden sich am Nidda-Tal gegenüberliegenden Siedlungen Römerstadt und Höhenblick, die als Teil des Neuen Frankfurt von Ernst May geplant und zwischen 1925 und 1933 gebaut wurden. Das Stadtplanungsprogramm Neues Frankfurt von Ernst May modellierte die Peripherie der Stadt völlig neu. Leitbild der Planung war die „Trabantenstadt“, die neben der Wohnfunktion auch einen eigenen Erwerbs- und Versorgungsbereich aufweist, und mit dem Konzept des „Grüngürtels“ als Naherholungsgebiet verbunden ist. Die neue Stadtlandschaft Frankfurts war in den 1920er-Jahren ein aus aller Welt beobachteter, zentraler Schauplatz der Moderne, an dem im Städtebau eine radikale Wende vollzogen wurde: Der traditionelle Gegensatz von Stadt und Land wurde aufgehoben und durch eine „Stadtlandschaft“ mit Bau- und Grünflächen ersetzt. Den Bewohnerinnen und Bewohnern sollte durch kurze Wege in den eigenen Garten oder ins Grüne der unmittelbare Zugang zur Natur eröffnet werden. Die mit der Rationalität der Architekturmoderne entworfenen Siedlungen Römerstadt und Höhenblick sind heute anerkannte Vorbilder und bieten nach wie vor Orientierung für aktuelle Fragen der Wohnungsversorgung.
UNESCO-Welterbe in Hessen
Welterbe in Hessen: Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst koordiniert die hessischen Antragsverfahren für die Welterbeliste und ist im Land, gegenüber dem Bund und den internationalen Partnern der für die Welterbestätten zuständige Ansprechpartner. Gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen, dessen Präsident Dr. Markus Harzenetter Welterbe-Beauftragter der hessischen Landesregierung ist, betreut es die Welterbestätten des Landes.
Sieben Stätten auf der UNESCO-Liste liegen ganz oder teilweise in Hessen: das Kloster Lorsch (1991), die Grube Messel als erstes Weltnaturerbe Deutschlands (1995), das Welterbe Oberes Mittelrheintal (2002), die Grenzen des Römischen Reichs – Obergermanisch-Raetischer Limes (2005), die Alten Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas – Kellerwald-Edersee (2011) und der der Bergpark Wilhelmshöhe (2013) sowie seit diesem Jahr die Mathildenhöhe Darmstadt (2021).